Barbara Mithlinger

TEXTE

Texte im Rahmen der Ausstellung „Ambivalenz der Wirklichkeit, Magie des Objekts, Poesie der Erzählung“ - Reflexion anlässlich 75. Jahren kleine galerie

Barbara Mithlinger, Leiterin der kleinen galerie

Palimpsest - Gaia - Skelett und Fleisch - Mensch und Tier – Liebe - Göttinnen; Sechs Sujets mit denen sich sieben Künstler:innen (Hubert Christian Ehalt Gotthard Fellerer, Julia Fromm, Ulrich Gansert, Martina Pippal / Götz Bury und Elisabeth von Samsonow) befassen und sich ihnen auf individuelle Art, mit unterschiedlicher künstlerischer Stilistik nähern. Sie beschreiben Urthemen des menschlichen Seins. Bilder, Objekte, Installationen, Fundstücke, Relikte.

Herwig Zens und die kleine galerie

Barbara Mithlinger, seit 2021 Leiterin der kleinen galerie

 

Es ist nie einfach passende Worte zu finden für einen außergewöhnlichen, wie vielseitigen Menschen und Künstler; Für einen besonderen Freund und Mentor der kleinen galerie, dessen ideelles, menschliches sowie künstlerisches Vermächtnis in den Räumen und in der Ausrichtung dieser Institution weiter wirkt.
Kaum ein Künstler war so lange und auf so einzigartig besondere Weise mit der kleinen galerie verbunden, wie der Maler, Zeichner, Filmemacher und Pädagoge Herwig Zens. Ich sehe es als derzeitige Leiterin der kleinen galerie als besondere Fügung, dass mich meine erste große Ausstellung mit dem Titel „Zens persönlich“ direkt auf die Spuren desjenigen Künstlers brachte, der in der kleinen galerie bis heute allgegenwärtig ist.
Alleine die Auswahl der Arbeiten (ein mich durch Berge von Zens Arbeiten Hindurchschauen, die teilweise flüchtig und doch so auf Punkt und Strich genau getroffen auf winzige Zettelchen gezeichnet sind) war ein für mich prägender Begegnungsprozess.

 

Auf keine andere Art und Weise hätte ich die Bedeutung des Menschen und Künstlers Zens für die Galerie besser begreifen und erleben können. Nie hätte ich die Bedeutsamkeit seines menschlichen wie künstlerischen Wirkens besser verstehen können, als durch zahlreiche Gespräche und Telefonate mit Wegbegleiter:innen, welche die Ausstellung im Juni 2021 besuchten. Viele seiner ehemaligen Schüler:innen und Student:innen sind gekommen, um ihrem Mentor und Professor wieder zu begegnen. Manche von ihnen saßen doch einige Zeit vor seinen Bildern und Skizzen, blätterten in dem von Gerda Zens mit viel Engagement gestalteten Buch „Zens persönlich“. Es sind diese besonderen Erinnerungen, Anekdoten und persönliche Erlebnisse, die gemeinsam mit den Bildern bis heute die Galerieräumlichkeiten füllen. Viele Menschen begegneten einander also dort wieder, wo Herwig Zens selbst besonders verbunden war: in seiner kleinen galerie.

 

Zens, der eine humanistische Bildung genossen hatte, war stets vielseitig interessiert. Auch künstlerisch war sein Weg keineswegs so eindeutig Richtung Bildender Kunst weisend, denn neben seiner Leidenschaft zum Zeichnen und Malen, erfreute er sich auch an der Darstellenden Kunst. Und so mag es vielleicht auch nicht ganz unwesentlich gewesen sein, dass der Lebensweg des Künstlers Herwig Zens schon früh zur kleinen galerie führte. Bereits als Volksschulkind kam er häufig an der Galerie, damals noch in den Räumlichkeiten in der Neudeggergasse im 8. Wiener Gemeindebezirk gelegen, vorbei. Die Begegnung mit der kleinen galerie schienen für den jungen Zens prägend. Bereits hier war sein künstlerisches Interesse an Zeichnungen und Malereien geweckt: Schon als Jugendlicher hatte er sich vorgestellt, mit seinen eigenen Werken als Künstler in der Galerie vertreten zu sein. Sein Wunsch ging in Erfüllung: Herwig Zens war der kleinen galerie über 40 Jahre sehr eng verbunden. Ein ganz besonders herzliches und freundschaftliches Verhältnis verband ihn mit dem langjährigen Galerieleiter Faek Rasul. Gemeinsam mit Karl Dworschak, dem heutigen Direktor der VHS Donaustadt, dem die Galerie heute zahlreiche Fotografien „des Meisters“ verdankt, entstand ein enger Austausch mit Herwig Zens und dessen Wirkfeld. Zens selbst war über 50 Jahre lebendiger Teil der Wiener Kunstszene und pflegte ausgezeichnete Kontakte zu vielen etablierten Künstler:innen und Galerist:innen.

 

Seiner Vermittlung und Initiative verdankt die kleine galerie bis heute einige ihrer wichtigsten künstlerischen Verbindungen. Von 2009 an wurden die Werke von Herwig Zens Jahr für Jahr in zahlreichen Gruppen- und Einzelausstellungen in der kleinen galerie präsentiert. Mehrere Druckgrafik- Editionen entstanden, von denen die meisten bis heute in der Galerie erworben werden können.

 

Noch vor seinem Tod entwarf Zens, der seine Heimatstadt Wien immer besonders schätzte, eine eigene, dem Rathaus gewidmete Edition der kleinen galerie: Einen ganz speziellen dreifärbigen Siebdruck von Helmut Bichler mit Tuschzeichnung von Herwig Zens mit dem Motiv des Wiener Rathauses, welchen er 2019 Bürgermeister Michael Ludwig in Freundschaft überreichte.
„Herwig Zens brachte Menschen und Kunst zusammen“, erinnert sich Michael Ludwig besonders gerne an seine Begegnungen mit Herwig Zens in der kleinen galerie. „Wenn es einen Künstler gibt, bei dem die beiden Begriffe Kunst und Bildung verschmelzen, dann ist es Herwig Zens“, schrieb er 2019 in seinem Nachruf an den großen Meister.

 

In keiner anderen Galerie hätte Herwig Zens besser wirksam sein können als in der kleinen galerie. Bis heute, 75 Jahre nach ihrer Gründung in den schwierigen Nachkriegsjahren, ist die kleine galerie Schnittstelle von Kunst und Bildung, von Wissenschaft und künstlerischer Disziplinenvielfalt. Die kleine galerie als Ort vielfältiger Begegnung wurde auch durch Menschen und Künstler wie Herwig Zens „ganz groß“.

 

Die kleine galerie wird das künstlerische wie humanistische Erbe von Herwig Zens, seine Wertehaltungen, Ideen und seine feinsinnige Weltsicht weitertragen. Zum Ausdruck kommen wird dies auch weiterhin in den jährlich stattfindenden Zens- Ausstellungen: 2022 widmet sich die kleine galerie dem Thema „Zens: Wien und der Tod“; für das Jahr 2023 ist anlässlich des 80. Geburtstags, welchen „der Meister“ am 5. Juni 2023 gefeiert hätte, eine Werkschau in besonderem Rahmen angedacht. Denn: an keinem anderen Ort der Kunst ist das stete Mantra des Meister so beständig laut wie in der kleinen galerie: Weitermachen!

 

Herwig Zens in der kleinen galerie:

23. Janner–6. Marz 2009 Herwig Zens: Mythos: Malerei und Druckgrafik

19. November 2009–9. Janner 2010 Jahresausstellung 2009

1.–10. September 2010 Peter Altenberg: Kaffeehaus. Eine exklusive Kunstmappe

13. Oktober–18. November 2010 Herwig Zens: Todliche Umarmung

24. November 2010–10. Januar 2011 Jahresausstellung 2010

1. Juni–8. Juli 2011 Ein Streifzug durch die Druckgrafik

14. September–13. Oktober 2011 Adolf Frohner, Herwig Zens: Leidenschaft und Versuchung

23. November 2011–13. Janner 2012 Jahresausstellung 2011

21. Marz–26. April 2012 Herwig Zens: Mythos und Erotik (Malerei, Zeichnung, Druckgrafik)

12. September–11. Oktober 2012 Arbeiten auf Papier

7. Mai–13. Juni 2013 Vorbild Frohner

16. Oktober–21. November 2013 Ich hab noch viel vor

27. November 2013–9. Janner 2014 Jahresausstellung 2013

11. Juni–10. Juli 2014 Arbeiten auf Papier

15. Oktober–20. November 2014 Vorbilder

26. November–23. Dezember 2014 Jahresausstellung 2014

18. Februar–19. Marz 2015 Das pralle Leben – Adolf Frohner

21. Oktober–19. November 2015 Zens und seine Bilderwelt Herwig Zens: Malerei, Zeichnung, Druckgrafik

25. November–23. Dezember 2015 Jahresausstellung 2015

11. Mai–9. Juni 2016 Papierwelten

15. Juni–8. Juli 2016 Moderne Druckgrafik aus Osterreich

23. November–21. Dezember 2016 Jahresausstellung 2016

22. Februar–22. Marz 2017 Pingo ergo sum. Ich male also bin ich

22. November–20. Dezember 2017 Jahresausstellung 2017

06. Juni– 04. Juli 2018 ALTE MEISTER- Herwig Zens

22. Jänner 2020 – 13. Februar 2020 Weiter machen- Herwig Zens

23. Juni - 16. Juli 2021 „Zens persönlich“- Ausstellung und Präsentation des gleichnamigen Buches

Claudia Kraus, Angelika Rattay, Maria Pia Lattanzi

 

Heute

Echt

jetzt

In natura


Wir alle haben unsere eigenen inneren und äußeren Bilder von Natur.
Und es liegt in unserer menschlichen Natur, uns Gedanken darüber zu machen, was diese Natur uns ist und wir ihr sind.


Natur; das Wort stammt aus dem Lateinischen: natura von dem Wort nasci „entstehen, entspringen, seinen Anfang nehmen, herrühren“. Genau hierin führt uns diese Ausstellung. An den Punkt wo „es“ herrührt, zu einer Natur, die uns so vieles ist und durch die Geschichte hindurch war.
Wir menschliche Wesen sind Geworfene in eine uns umgebende Natur, die wir nicht beherrschen können, die uns beherrscht, der wir ausgeliefert sind, von der wir uns entfremdet haben und deren Teil wir sind, ob wir nun wollen oder nicht. Natur ist Heimat, Mutter, Anfang, und sie ist unser schicksalhafter Spiegel. Wir leben in und mit diesem stets ambivalentem Spannungsfeld, das Generationen von Menschen stes neu fordert. Auffordert zu Entwicklung.

Im Gegensatz zur östlichen, galt Natur in der westlichen Kulturgeschichte lange als „Feind“ des Menschen: Sie war Angst einflößend, voller Gefahren und Bedrohungen. Immer wieder suchte sich der Mensch durch seine kullturellen Leistungen aus ihr herauszulösen, sich zu ent- und schließlich zu überheben. Der Mensch als Herrscher über die Natur.
Im Laufe der Aufklärung führte vor allem die Epoche der Romantik zur Verklärung der Natur in der Gesellschaft; sie wurde nun vor allem als Vorbild für Ästhetik und Harmonie betrachtet. Die Rolle des Menschen verlagerte sich von über zu neben der Natur stehend. Mit dem Aufkeimen der Umweltbewegung im 20. Jahrhundert bekam der Mensch immer mehr die Rolle einer „Störung“ zugeschrieben. Betrachtet man die Weltgeschichte, zeigen sich stets Phasen von Annäherung und Entfremdung des Menschen an die und von der Natur.

Natur ist glücklich. Doch in uns begegnen sich zuviel Kräfte, die sich wirr bestreiten: wer hat ein Frühjahr innen zu bereiten? Wer weiß zu scheinen? Wer vermag zu regnen?
Fragt Rilke in seinem Gedicht.


Und so fragen wir-gerade in diesen Zeiten, wo wir immer mehr begreifen: Die Natur braucht den Menschen nicht, er hingegen kann ohne sie nicht sein. Der Mensch ist vermessen, will vermessen oft maßlos. Das ist sein Los. Das liegt in der Natur des Menschen, dass er die Natur zu ergründen sucht, die ihn umgebende, wie die ihn durchdringende. Natürlich ist das so. Der menschliche Verstand fordert beständig und selbstverständlich das Verstehen Wollen:
„verstehen“ von althochdeutsch „farstān“ mit der ursprünglichen Bedeutung „davor stehen“ (wodurch man z. B. eine Sache genau wahrnehmen kann), von Anfang an im übertragenen Sinn („begreifen“, „durchschauen“)


Wir stehen heute also davor, vor Bildern, Skulpturen, Werken, und schließlich und am Ende, wenn wir uns ganz einlassen, vor uns selbst. Wir schauen und versuchen durchzuschauen durch die hier präsentierten Bild- (geh)Schichten. Doch immer bleibt das Geheimnisvolle, entzieht sich die Essenz der Dinge und auch „die Natur“ als das Prinzip des Anfangs und Ursprungs. Der Kreislauf des Lebens, in den wir allesamt Eingebundene sind uns somit als Menschen zu verbundenen werden.
Und so stehen wir alle hier in diesem Raum mit Fotografien, Plastiken und Malereien:
Sie vermitteln das Wesentliche, ohne ihr Wesen ganz zu offenbaren.
Die Natur nicht und der Wald nicht, den wir vor lauter Bäumen dann doch nicht sehen (Kraus)
Der Menschen nicht, selbst wenn wir ihm bis aufs Fleisch schauen, unsere Anatomie als Abbild der uns umgebenden Natur erkennen (Rattey)

Und selbst wir uns selbst nicht, selbst wenn wir uns und unsere Wesenheit im Spiegel unserer Umwelt samt Mitgeschöpfe betrachten. (Lattanzi)


Was also ist uns die Natur und wer sind wir mit und in ihr?
Diese Frage stellt die Werkschau der 3 Künstlerinnen und sie ist ein Apell zur Innen schau!
Auch von der Natur der Frau erzählt die Werk-Innenschau: Natur und das weibliche Prinzip sind eng verknüpft. Die Frau ist der Natur durch ihre Fähigkeit des Gebärens und Hervorbrings näher. Und so ist es auch der/die Künstler:In und sein/ihr Prozess des Schaffens.
Als Künstlerinnen und Frauen sind P.M Lattanzi, Angelika Rattey und Claudia Kraus heute da.
In natura, ganz echt da, angreifbar, intensiv, stark, zart, poetisch, verhüllend und enthüllend ohne Blöße.


Claudia Kraus


Stille, Licht- Schatten Spiel und Weite erleben wir in Claudia Kraus’ lyrischem Werkzyklus land escapes I. In den geheimnisvollen, mystisch und überzeitlich anmutenden Landschaften. Wege beginnen und verlieren sich wieder, enden ungewiss am Horizont. Nebelschichten verschleiern die Sicht auf das Darunterliegende; Bäume, Büsche und Sträucher bleiben oft nur Andeutungen. Den Bildern eigen ist ein intensives Spiel mit Licht und Schatten, mit dem Hellen und Dunklen, mit dem was Offensichtlich ist und Verborgen. Mit poetisch verdichtete Bildwelten voller Andeutungen, Fragilität und Vergänglichkeit spürt Claudia Kraus Veränderungsprozessen in der Natur nach.


„Jede Landschaft als Projektionsfläche innerer Vorgänge, die ich mittels Fotografie sichtbar und erfahrbar mache – Erinnerungen und Träume sowie das kollektive Unbewusste spielen bei der Rezeption der Bilder eine wesentliche Rolle.Das japanische ästhetische Konzept, das Schöne im Dunkel zu finden, das Angedeutete höher zu schätzen als das klar Exponierte, inspiriert mich ebenso wie die Idee der mystischen Versenkung in die Natur. „Mich fasziniert der Gedanke von Novalis, wonach wir mit dem Unsichtbaren stärker verbunden sind als mit dem Sichtbaren“, sagt Claudia Kraus.
Gemeinsam spüren sie hier der Bedeutung von Natur in einer globalisierten Welt nach. Sie brechen sie die Grenzen zwischen Kultur und Natur, erforschen, was in Mythen und dem kollektiven Unbewussten schlummert und schaffen mit ihren Arbeiten ein sinnlich erfahrbares Erleben.


Claudia Kraus lebt und arbeitet in Wien. Ihre künstlerische Praxis umfasst Fotografie, Malerei und Zeichnung. Ihr Zugang zur Fotografie ist intuitiv-experimentell, wobei sie eine eigenständige poetische Bildsprache entwickelt hat. Schichten und Texturen sind ein wieder- kehrendes Thema in ihrem formalen Ansatz. Digitalfotografien fungieren häufig als Ausgangsmaterial, als Skizzen, die zum Teil verfremdet und abstrahiert werden. In ihrer Serie „how long is eternity“ kommt weiters das Verfahren der Scanografie zum Einsatz.


Claudia Kraus ist national und international bei Einzel- und Gruppenausstellungen vertreten. Ihre Arbeiten wurden u.a. in Wien, Budapest, London, Melbourne und Miami gezeigt und in einer Reihe von nationalen und internationalen Magazinen veröffentlicht.


Angelika Rattay
„Meine Passion ist es, ein Bild der Weiblichkeit zu entwickeln, das nicht von einem althergebrachten Rollenbild geprägt ist, sondern von einer neuen Vision der Frau, deren Schönheit sich aus ihrer Einzigartigkeit ergibt, aus ihren Verletzungen, aus der Kraft, die sie durch deren Überwindung gewonnen hat. Sie ist schön, weil sie eben nicht dem stereotypen Schönheitsideal entspricht“, sagt Angelika Rattay.


Ihre Figuren zeigen sich entblößt und nackt. Scheinbar schutzlos stehen sie da und verkörpern Stärke und Verletzlichkeit gleichermaßen. Sie sind allesamt unvollkommmen, gezeichnet vom Leben: ihre Unvollständigkeit und ihre Narben machen sie besonders. Sie tragen diese Einzigartigkeit mit Stolz und Würde.


Bei der Bildreihe Innenwelten sind einzelne Organteile bzw. Körperteile aus ihren Zusammenhängen gelöst und neu angeordnet. Durch diese Komposition kommt der jeweilige Teil des Köpers in seiner Einzigartigkeit zur Geltung. Während bei den Skulpturen eine genaue Planung notwendig ist, kann bei den Bildern die Intuition zur Wirkung kommen. Dies wird bei der Bildserie Psyche – Mensch deutlich. In ihrer neuen Serie Schattenbild der Wirklichkeit beschäftigt sich Rattay in spielerischer Form mit der Abbildung von Licht und Schatten, Linien und Flächen.


Angelika Rattays künstlerische Auffassung hat sich aus der Vorstellung entwickelt, dass Vollkommenheit als Ziel dem Menschen weder gemäß noch erreichbar ist. Deshalb gilt alle Aufmerksamkeit und Hinwendung dem Fragmentarischen. Dieses verlangt seine eigene Entfaltung. In der Anbringung subtiler körperlicher Deformierungen vermag die Künstlerin die ruhige, stereometrische Körperarchitektur ihrer Protagonistinnen aufzubrechen. Dabei handelt es sich um bewusst angebrachte, den anatomischen Gesetzmäßigkeiten zuwiderlaufende Akzentuierungen im Dienste des Ausdrucks.


Angelika Rattay lebt und arbeitet in Wien. Sie absolvierte eine Bildhauerausbildung an der Wiener Kunstschule bei Leslie De Melo und studierte Bildhauerei an der Universität für Angewandte Kunst bei Gerda Fassel und anschließend Bildnerische Erziehung.


Maria Pia Lattanzi
Sie sieht in Tieren das Instinkthafte und eine animalische Urkraft verkörpert, die so nur in der Natur von uns Lebewesen zu finden sind. Seit 2013 arbeitet sie an ihrer Serie der „Tierbilder“. Tiere sind für sie Inbegriffe des Ursprünglichen.

„Tiere sind da, wo das Gefühlsbetonte, das Emphatische zuhause ist“, sagt sie. Themen ihrer Arbeiten sind Bindung, Beziehung, Reinheit und Wildheit, Zugehörigkeit zur Natur, der Mensch als Teil der Natur. Ihre Motive bekunden die dezidierte oder auch unbewusste Absicht, einen Ausschnitt aus ihrer persönlichen Realität möglichst prägnant wiederzugeben.

Maria Pia Lattanzi lebt und arbeitet in Wien. Sie studierte Malerei an der Wiener Kunstschule und bei Adolf Frohner an der Universität für Angewandte Kunst in Wien. Sie ist Preisträgerin der Kunsthalle Wien.

Die Künstlerin arbeitet in der Technik der Eitempera, eine altmeisterliche Lasurtechnik, wobei die ersten gesetzten Schichten bis zur letzten obersten Schicht von unten durchscheinen. Auf diesem Weg erzielt Lattanzi eine sehr differenzierte Tiefenstruktur in ihren Arbeiten. Sie kombiniert figurative und abstrakte oder ornamentale Bildelemente und Formen und lässt sie zu einer Einheit verschmelzen.

In den Bildern „me and the Wolves” werden Wölfe in den Bildern zur Projektionsfläche eigenen Verlangens! Der Wolf steht in den Bildern für Selbsterkenntnis, Selbstreflexion, Wachstum und Stärke. Der Wolf als Sinnbild einer Urkraft. Im Fokus steht die eigene Existenz, die eigenen Bedürfnisse und Wünsche.


Wenn wir Menschen die Natur und die Tiere beobachten, sehen wir immer auch uns selbst und die Art, wie wir die Welt deuten. In der Natur spiegelt sich der Mensch. Das Tier ist pur, echt, wild und unverstellt. Das berührt und dort, wo wir uns als Menschen gerne entziehen.


So kann die Begegnung mit dem Tier, dem Wolf ebenfalls auch als Einladung zur Innenschau und zu echter Begegenung mit unserer verletzlichen Wesenheit verstanden werden.
Auch in ihren Arbeiten findet sich die Auseinandersetzung mit Weiblichkeit.
Die Psychotherapeutin Clarissa Pinkola schrieb 1993 das Buch „die Wolfsfrau“ und landete damit drei Jahre lang auf der Bestsellerliste der New York Times. Ein gewaltiger Erfolg! Frauen fühlten sich angesprochen, die Wölfin in sich zu finden, also das wilde, freie, sensible Wesen, das von den Erwartungen einer dominierenden patriarchalischen Gesellschaft gezähmt wurde.
Frauen und Wölfinnen haben viele Gemeinsamkeiten - nicht nur im starken fürsorglichen Charakter, sondern auch in dem Unrecht, das ihnen über Jahrhunderte angetan wurde.


Natur gehört zu dem, was bleibt und sich nicht selbst vernichtet. – Gregor Schiemann [2] Philosoph


Die ewige Natur also.
Heute ein Gegenbild zur Welt im Wandel, ein Fix- und Bezugspunkt in einer Welt, in der sich alles verflüssigt und aus der Mitte gerät, eine unheimlich heimelige Konstante, das letzte Bindeglied zwischen dem, was war und dem, was geworden ist und werden wird. Überzeitlich.
Die Natur verwandelt sich scheinbar immer gleich. Das Vertrauen dass die Sonne immer aufgeht, die Blätter einstmals fallen, der Apfel reift, die Knospen sich öffnen. Es ist scheinbar seit Jahrhunderten der selbe Tau auf Blüten,
Wenn wir eines wissen ist es dass wir Eingebunden sind
Ein Trost.

„Traces- Spuren“ - Tania Raschied
Die Kunst des Sichtbarmachens


Nur wer hinterlassene Spuren entdeckt, kann neue Spuren hinterlassen. Eberhard Schuy (*1955), Fotograf


Tania Raschieds Spuren, sind nicht einfach da; sie warten darauf entdeckt, geweckt und sichtbar gemacht zu werden; und genau darin offenbart sich die besondere Gabe der Künstlerin: Durch ihr Auge und das ihrer Kamera hindurch, gelingt der Fotografin Tania Raschied ein unmittelbarer Blick auf die Essenz ihrer Motive. Sie macht Spuren sichtbar, die niemand hinterlassen hat, die keiner sieht, die der schnellen Welt verborgen blieben, wenn sie nicht durch die Fotografin und ihre Kamera gehoben werden würden. Dabei handelt es sich bei den besagten Spuren weder um Träger objektiven Wissens noch um kostbare Artefakte; Es sind scheinbar bedeutungslose, alltägliche Dinge, wie Türen, Plakatwände oder Mauern, die ihre ganz eigenen Geheimnisse hinter ihren Fassaden bewahren.


Die Fotografin wird zur Archäologin des Zufälligen, die materielle Spuren freilegt und sichert, und diese schließlich in ihrem fotografischen Werk konserviert. Für einen kurzen Augenblick nur, für einen Moment, besteht das Werk in seiner Form, ehe es wieder dem Lauf seiner Geschichte preisgegeben wird. Veränderung passiert hier zufällig und ziellos, ohne, dass jemand zusieht: Farbschichtungen auf Mauern und Türen blättern, lösen sich auf, Wind und Nässe verändern die Strukturen und Texturen.


Die Spuren bleiben stille Zeugen ihrer Verwandlung durch die Zeit. In ihnen kristallisiert sich Erinnerung, absichtslos, von der Natur und der Zeit unbewusst geschaffen. Was ist ihr Narrativ, wenn es kein Gedächtnis gibt? Erst die Interaktion gibt diesen Spuren Bedeutung: Sie leben vom Dialog mit der Fotografin, die sie hebt und dem Dialog mit den Betrachtenden, die Ihnen Bedeutung ein- und zuschreiben. Es gibt kein Interesse daran, diese Spuren zu bewahren. Ihre Bedeutung erhalten sie als Momentaufnahmen- ihre Flüchtigkeit und Vergänglichkeit macht sie kostbar.

Tania Raschieds Spuren sind jedoch auch Spuren einer Selbstauseinandersetzung. Die Fotografin findet Spuren, nimmt sie auf, entwickelt sie weiter, haucht ihnen Leben ein, gibt ihnen Aktualität und Sinn. So wird die Spur zur Grundlage eines Kunstwerks. Durch die Präsentation und durch den Blick der Betrachter_innen.


entwickelt die Spur eine Eigendynamik, ein Eigenleben. Sie tritt in Dialog, ohne vielleicht vorher für andere existent und wahrnehmbar gewesen zu sein. In der Spur verdichten sich Geschichten und Mythen, die in den Menschen seit jeher im Innersten verborgen liegen. Spuren haben somit die Kraft, mit dem kollektiven Unbewussten, wie C.G. Jung es beschreibt, in Dialog zu treten. In ihnen spiegelt sich die Fülle menschlicher Erfahrungen, die Weite und Vielgestalt der Schöpfung und des Seins. Durch die Berührung mit dem kollektiv Geteilten entsteht Verbindung. Tania Raschied verbindet mit ihren Fotografien Augenblicke, Welten, Zeiten und Kulturen. Ihre Bilder binden Menschen an ihre kollektiven und somit auch an ihre individuellen Geschichten an; jeder Mensch hinterlässt Spuren, nimmt Spuren auf, macht sie sich zu eigen und gibt sie an die Welt zurück. Das Wahrgenommene wird mit Bekanntem verglichen, die Spur verändert die eigene Wahrnehmung ebenso, wie die Wahrnehmung wiederum die Spur verändern kann. In der Introspektion, zu der uns die fotografisch festgehaltenen Spuren anregen, versuchen wir Aussagen über unsere Existenz zu gewinnen. Verborgenes und Verschüttetes kann wieder spürbar und lebendig werden. Die Spuren werden zu Zeugen der überzeitlichen Wirkmacht von Bildern, Symbolen und Codes.


Tania Raschieds besondere Gabe ist die Kunst des Offenlegens- im Sinne des Hervorholens oder Freilegens. Mit tiefgründigem, treffsicheren Blick gelingt es ihr, hinter das Offensichtliche zu blicken und so das Einzigartige und Besondere zu heben. Die Kunst des Sichtbarmachens von Strukturen, Menschen, Emotionen, Stimmungen und Gefühlen, zeichnet das fotografische Werk der Künstlerin aus. Tanja Raschied ist Hebamme, Betrachterin, Archäologin. Sie wird zur Vertrauten ihrer Spuren, die sich ihr auf ganz eigene Weise offenbaren. Für ihre Bilder reist Tanja Raschied oft mehrmals an den selben Ort. Manches Motiv fotografiert sie mehrmals. Der Prozess des Spuren Hebens und Fotografierens wird somit auch zu einer Innenschau, zu einer Selbstauseinandersetzung. Die Künstlerin selbst hinterlässt demnach Spuren in ihren Werken. Sie wird selbst niemals sichtbar, ihre feine Präsenz bleibt jedoch spürbar. Tania Raschieds Fotografien sind „Bildwelten unzähliger Geheimnisse“, die jeden Betrachter und jede Betrachter*in dazu einladen, sie zu erspüren und zu ergründen.